Russland

Wie russische Hubschrauber den ukrainischen Vormarsch vereiteln

Die ukrainische Offensive ist ins Stocken geraten. Wie die westlichen Analytiker anmerken, wurden insbesondere russische Kampfhubschrauber zu einem Problem für Kiews Militär. Und möglicherweise können die NATO-Staaten dabei nicht helfen.
Wie russische Hubschrauber den ukrainischen Vormarsch vereitelnQuelle: Gettyimages.ru © SOPA Images

Von Sachar Andrejew

Fünf bis sieben pro Einsatz

Nach Einschätzung von Experten werden ukrainische Panzerfahrzeuge vor allem durch Minen und Sprengladungen, aber auch durch Kampfhubschrauber zerstört.

Im Dienst der russischen Luftstreitkräfte stehen zwei Kampfhubschrauber, nämlich Mil Mi-28N "Nachtjäger" und Kamow Ka-52 "Alligator". Sie ergänzen einander und werden oft in Paaren eingesetzt.

Im Vertrauen auf die Optik der westlichen Panzer haben die ukrainischen Truppen versucht, in der Nacht vorzustoßen. Es half nichts, denn die Beobachtungs- und Zielweisungsgeräte der Ka-52 und Mi-28N erlauben es, Ziele auch in der dunklen Zeit des Tages anzugreifen.

Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums vernichten zwei Hubschrauber zwischen fünf und sieben Panzer und Panzerfahrzeuge pro Einsatz.

Westliche Analytiker heben besonders die Maschine von Kamow hervor. Der "Alligator" trage die Hauptlast auf dem Schlachtfeld, heißt es. Die Zeitschrift The Drive verweist zwar auf empfindliche Verluste an Ka-52, im Juni ist aber kein einziger dieser Hubschrauber abgeschossen worden. Und nach Meinung der Spezialisten ist es für die ukrainischen Streitkräfte sehr schwierig, dieser Bedrohung etwas entgegenzusetzen.

Westen kann nicht helfen

Für die Offensive werden mobile Luftabwehrsysteme mit geringer Reichweite benötigt. Das Kiewer Regime verfügt über sowjetische Luftabwehrsysteme des Typs Strela-10 mit einer Reichweite von bis zu 5.000 Meter und Flugabwehrpanzer Tunguska mit einer Reichweite von bis zu acht Kilometern. Allerdings gibt es nur wenige davon.

Unter den westlichen Luftabwehrsystemen finden sich US-amerikanische Luftabwehrkomplexe vom Typ AN/TWQ-1 Avenger, von denen 20 Stück geliefert wurden, und deutsche Gepard-Flakpanzer, 52 an der Zahl.

"Das sind sehr leistungsfähige Systeme und, was am wichtigsten ist, sehr mobile. Doch bisher gibt es nur wenige davon", bemerkte The Drive. Außerdem würden sie für die Verteidigung von Städten und Schlüsselinfrastruktur im ukrainischen Hinterland benötigt.

Weder die Avengers noch die Geparde verfügen über schwere Panzerung, was ein Nachteil bei der Offensive ist. Darüber hinaus sind sie wenig effektiv gegen tieffliegende "Alligatoren" und "Nachtjäger", die an der Grenze der Reichweite dieser Panzer agieren.

Zusätzlich verfügt die ukrainische Armee über tragbare Luftabwehrkomplexe des Typs Stinger, von denen sehr viele angeliefert wurden. Doch auch deren Reichweite von bis zu acht Kilometern könnte nicht ausreichend sein. Es ist zudem schwierig, sie in der Nacht einzusetzen.

Es existieren schlicht keine westlichen Gegenstücke zu den sowjetischen gepanzerten Luftabwehrkomplexen. Die Luftabwehrdoktrin der NATO sieht vor, dass die Unterstützung einer Offensive durch die Luftwaffe erfolgt. Doch die Lieferung der versprochenen F-16 verzögert sich.

In der Vergangenheit verfügte die US-Armee über ein geeignetes gepanzertes Luftabwehrsystem, nämlich das M6 Linebackers, eine Anlage aus Stinger-Raketen auf dem Chassis eines Bradley-Schützenpanzers. Allerdings wurde es im Jahr 2006 außer Dienst gestellt.

Andere westliche Luftabwehrsysteme sind nur für den Schutz von stationären Objekten geeignet.

Unerreichbar

Hauptwaffe der russischen Kampfhubschrauber sind die Panzerabwehrlenkraketen. Die Ka-52 verfügt über zwei Typen solcher Raketen. Die Reichweite des Systems Ataka-1 beträgt sechs Kilometer, während Wichr-1-Raketen bis zu zehn Kilometer weit reichen. Beide Systeme arbeiten beim Anvisieren mit einem Laserstrahl.

Nach Schätzungen des israelischen Experten Guy Plopsky werden auf den vom russischen Verteidigungsministerium veröffentlichten Videos ukrainische Fahrzeuge aus einer Entfernung von acht Kilometern zerstört. Der Angriff dauert 23 bis 25 Sekunden, das Ziel wird mit einem Laserstrahl anvisiert.

Die russischen Streitkräfte seien bei der Bekämpfung und Zerstörung von Luftabwehrsystemen in der taktischen Tiefe viel effektiver geworden, erklärte der Analytiker:

"Für ukrainische radargesteuerte Luftabwehrsysteme ist es gefährlich, sich in der Nähe der Frontlinie aufzuhalten, besonders für längere Zeit."

The Drive beschreibt die russische Taktik. Zunächst setzen Flugzeuge Bomben mit dem Einheitlichen Modul für Gleiten und Korrektur (UMPK) ein. Somit steht die ukrainische Luftabwehr vor dem Dilemma, entweder der Gleitbombe erlauben, ihr Ziel zu erreichen, oder sie abzuschießen und sich damit sich selbst zu demaskieren. Wenn die Luftabwehrkomplexe nämlich ihre Radare einschalten, werden sie von Kamikaze-Drohnen, etwa vom Typ Lancet, oder sonstigen Drohnen angegriffen.

In der Zwischenzeit feuert eine Mi-28NM die neueste leichte Mehrzweck-Lenkrakete mit einer Reichweite von 14,5 Kilometer ab. In einem Kommentar zum Video bemerkte The Drive, dass der Hubschrauber nach dem Abfeuern der Rakete nicht auf einer geringeren Höhe geflogen sei und keine Täuschkörper abgefeuert habe. Folglich sei die Rakete aus einer sicheren Entfernung abgefeuert worden.

Mit der gleichen Bewaffnung sollen auch die Ka-52M ausgerüstet werden. Modernisierte Maschinen wurden bereits an die Streitkräfte übergeben, wurden aber noch nicht im Konfliktgebiet gesichtet.

Mit abgeschossenem Heck

Ein weiterer Vorteil der Ka-52 ist ihre Überlebensfähigkeit. Das System der Koaxial-Rotoren bewährte sich. Ende Juni wurde ein Video veröffentlicht, auf dem ein Hubschrauber nach einem Kampfeinsatz mit einem praktisch abgerissenen Heck zurückkehrte. Die Maschine erreichte sicher ihre Basis.

Bei anderen Hubschraubern ist der Heckrotor für die Steuerung notwendig, weshalb bei einer Zerstörung desselben die Überlebenschancen des Helikopters sinken. Es sollte zudem angemerkt werden, dass dies der einzige Videobeweis für einen erfolgreichen Einsatz der ukrainischen Luftabwehr während der Offensive ist.

Experten sprechen ebenfalls von der Effektivität des Bordverteidigungskomplexes L-370 Witebsk – im Militärjargon "Eier des Lebens" genannt. Das System erkennt den Zeitpunkt des Abfeuerns und des Zielanflugs von Luftabwehrraketen. Die Automatik des Hubschraubers und die Piloten führen anhand dieses Systems Ausweichmanöver aus.

Mit Witebsk sind die Ka-52 und einige Mi-28, doch bei weitem nicht alle, ausgerüstet. Deswegen können Hubschrauber ohne ein solches System im Kampfeinsatz von Maschinen mit einem Bordverteidigungskomplex begleitet werden.

Nach Meinung westlicher Analytiker wird das ukrainische Militär wahrscheinlich ein Mittel zur Bekämpfung der Kampfhubschrauber finden. Doch dies kann viel Zeit in Anspruch nehmen.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.

Mehr zum ThemaZerstörung von Leopard-Panzern: Russisches Verteidigungsministerium veröffentlicht Aufnahmen

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.