Meinung

Presse-Blamage in Kamenz: Kritischer Journalist Patrik Baab erntet Standing Ovations im Stadttheater

Trotz Diffamierungskampagnen in den Medien konnte der investigative Journalist Patrik Baab dem Publikum in der Lessing-Stadt Kamenz sein Buch über die Ukraine-Krise vorstellen. Die restlos ausverkaufte Veranstaltung fand im Stadttheater statt und wurde von Oberbürgermeister Roland Dantz persönlich geleitet.
Presse-Blamage in Kamenz: Kritischer Journalist Patrik Baab erntet Standing Ovations im Stadttheater© Bernd Goldammer

Von Wladislaw Sankin

Es ist dunkel und niemand da, das Haus der Demokratie in Berlin-Prenzlauer Berg steht leer. Doch die Ankündigung im Internet täuscht mich nicht – hier und jetzt sollte die Buchvorstellung von Patrik Baab beginnen. Der investigative Journalist, ehemalige Lehrbeauftragte und Buchautor hat durch eine Medienkampagne wegen seiner Donbass-Reise in September 2022 gewisse Berühmtheit erlangt – RT DE berichtete. Zuspruch bekommt er vor allem von Internet-Nutzern, die mit der Kriegspolitik der Bundesregierung nicht einverstanden sind und Informationen über den Ukraine-Konflikt abseits des Mainstreams suchen – seine Vorträge, Leseabende und Interviews werden auf Youtube hunderttausendfach geklickt.

Ich bin nicht allein. Mit mir geistert eine andere Besucherin durch den Hof, bevor sie in einem Chat endlich die Ausweichadresse der Veranstaltung erfährt: Die Buchbesprechung ist verlegt worden. Es stellt sich heraus: Das Haus der Demokratie sagte die Raumnutzung für Baab kurzfristig ab. In der Presse gilt er als "umstritten", was ihn offenbar in die Nähe von Demokratiefeinden rückt. Unterwegs zum neuen Ort kommen wir ins Gespräch. Nach der Absage empfindet meine neue Bekannte die Bezeichnung "Haus der Demokratie" als Hohn. "Wie sind nicht dafür in der DDR auf die Straße gegangen." Sie war zur Wendezeit in der Bürgerbewegung aktiv. "Wir wurden mit der sogenannten Wiedervereinigung per Beitritt der einzelnen Länder zur BRD einfach reingelegt", sagt sie.

Aber heute ist der Ukraine-Krieg das Thema. Das interessiert die Leute, das Thema trifft den Nerv der Zeit. Als wir am neuen Ort nahe dem Bahnhof Friedrichstraße ankommen, liest Baab gerade aus seinem im Oktober erschienen Buch "Auf beiden Seiten der Front" die Stelle über den Maidan-Putsch vor. Informationen erhielt er u. a. von einem ukrainischen Exiljournalisten, mit dem er in Moskau auf dem Weg in den Donbass sprach. Dieser Augenzeuge widerlegt das westliche Narrativ einer friedlichen Bürgerrevolte und spricht von durch westliche NGOs gekauften Demonstranten – zu ihren Aufgaben gehörte neben dem Ausharren auf dem Maidan auch die positive Darstellung der Proteste in den sozialen Medien. Mindestens 50 Menschen lauschen Baab, es entflammt eine lebhafte Diskussion, am Ende signiert Baab gekaufte Bücher persönlich.

Bis zum heutigen Tag hat der Journalist bereits mehrere Dutzend solcher Treffen absolviert – deutschlandweit. Diese Unermüdlichkeit zahlt sich aus. Die Veranstaltungen gelangen ins Netz, und bei nahezu allen alternativen Medien wurde Baab zum begehrten Gesprächspartner. Tausende Exemplare des Buches sind schon verkauft, das 300-seitige Werk schaffte es auf Platz 13 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit seiner Popularität wächst aber auch die Wut der Meinungswächter auf Baab. Mit seinen Recherchen stellt er das offizielle Ukraine-Narrativ auf den Kopf: unaufgeregt, faktenreich, wortgewandt. Nach dem gewonnenen Gerichtsverfahren gegen die Universität Kiel wegen der Kündigung seines Lehrauftrags strahlt Baab auch Siegeszuversicht aus – das Gericht hat bestätigt, dass er im Donbass seiner journalistischen Tätigkeit nachgegangen ist, und die Universität hätte ihn deshalb nicht feuern dürfen.

Aber was tun? Da die meisten Buchvorstellungen in privat gemieteten Räumen stattfinden, ist es schwer möglich, sie zu verhindern. Anders bei einer städtischen Einrichtung. Hier eröffnen sich viele Möglichkeit, Druck auszuüben. So wurde am 21. November das Treffen in der Anita-Lichtenstein-Gesamtschule in Geilenkirchen wegen einer Elternbeschwerde und Kritik eines FDP-Politikers abgesagt. "Gerade öffentliche Bühnen, also öffentlich im Sinne von staatlich, sollten da doch einen stärkeren Fokus auf Wahrhaftigkeit setzen. Und da gibt es bei Herrn Baab eben sehr große Zweifel", sagte Martin Walther vom Kreisvorstand der FDP-Dresden dem MDR zu den Motiven für seine Beschwerde.

Es ist einfach unwahr, was Baab sagt und schreibt, wahr ist, was ich sage! Mit diesem einfachen Grundsatz hat sich noch am 31. Oktober die Osteuropahistorikerin vom Herder-Institut Anna Veronika Wendland an den Oberbürgermeister der Stadt Kamenz Roland Dantz mit einem offenen Brief gewendet. Sie habe mit "großer Verwunderung" erfahren, dass der Oberbürgermeister eine Veranstaltung am 6. Dezember im Kamenzer Stadttheater plane. Sie macht drei Punkte aus, in denen Baab ihrer Meinung nach falsch liegt. Der Maidan-Umsturz sei kein Putsch gewesen, sondern eine Bürgerrevolte, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei kein Stellvertreterkrieg zwischen NATO und Russland, und der sogenannte Donbass-Krieg 2014–2022 schon damals kein Bürgerkrieg, sondern russische Aggression.

Dem Brief folgt ein ähnlich verfasstes Schreiben einer weiteren Historikerin von der Universität Münster und ausführliche Berichterstattung von MDRSächsischer Zeitung und weiteren Medien. "Russische Propagandamythen" (MDR) im Stadttheater?! Darf das sein? Der Druck auf Oberbürgermeister Dantz wächst, der MDR gibt seinen Kritikern das Wort, die ihm "Scheinoffenheit" vorwerfen, weil er die Gesellschaft mit solchen Veranstaltungen polarisiere. Der Sender wirft Baab auch Falschbehauptungen und fragwürdige Wertungen vor, dieser antwortet dem MDR auf elf A4-Seiten und lässt das Schreiben auf der Webseite der Stadt Kamenz veröffentlichen. Oberbürgermeister Dantz nimmt Baab in einem offenen Brief in Schutz, indem er Wendland einen "anmaßenden Ton" bescheinigt und ihr im Namen der Bürger der Stadt verspricht, sich nicht "von (...) der von Ihnen initiierten Kampagne beeindrucken [zu] lassen". Der 65-Jährige ist seit zwanzig Jahren im Amt, seit 35 Jahren er für die Stadt tätig. Wie kein anderer weiß er, was die Nöte und Interessen der Einwohner sind.

Schließlich reist Wendland am 3. Dezember persönlich nach Kamenz, um bei einem Bürgertreffen aus ihrem eigenen Buch über die Ukraine vorzulesen. Es heißt "Befreiungskampf". Sie will die Kamenzer mit ihrem eigenen Beispiel vor zu viel Vertrauen in Baab warnen. Der MDR Sachsen begleitet das Treffen mit einem weiteren ausführlichen Artikel – ihm zufolge sind 25 Besucher anwesend. Der Oberbürgermeister kommt selbst zum Gespräch und diskutiert anschließend Tête-à-Tête mit Wendland. Ihr gegenüber macht Dantz wieder deutlich, dass er an seiner Entscheidung festhält, Baab ins Stadttheater einzuladen. Mit der Veranstaltungsreihe "Dialog" will er insbesondere jene zu Wort kommen lassen, die an anderer Stelle diffamiert, ausgegrenzt und beruflich beschädigt werden. Denn Demokratie heißt für ihn, auch solche Positionen in der Arena der Öffentlichkeit zu Wort kommen zu lassen, die dem Mainstream nicht gefallen.

Dann kommt der 6. Dezember. Die 250 Plätze im Saal waren bereits Tage davor restlos ausverkauft, wobei das Foyer für weitere 50 Zuschauer zum Vorführungsraum einer Liveübertragung umfunktioniert wurde. Die Stadt in der Oberlausitz zählt 17.000 Einwohner, auf Berlin übertragen hat Baab mit seiner Buchvorlesung das Olympiastadion gefüllt. Auch Vertreter der Leitmedien waren zugegen, wobei 3sat schon gleich im Foyer drehen wollte. Doch dies wurde untersagt. Die Veranstalter befürchteten, dass die Menschen sonst nicht frei sprechen würden. Infolgedessen gibt es kein einziges Bild oder Video aus den Räumen im Kamenzer Stadttheater im Netz – heutzutage unüblich.

Aber für den Leseabend selbst hat sich das Verbot ausgezahlt. Dantz nahm die Moderation selbst in die Hand und ließ im Laufe des Abends über 20 seiner Landsleute mit ihren Fragen und Kommentaren zu Wort kommen, wobei das besondere Interesse der Menschen auf den Lebensverhältnissen, dem Maidan, dem Ausbruch des Bürgerkrieges, den Minsker Abkommen und der Situation um die Krim lag. Als Baab eine seiner medienkritischen Anmerkungen aus dem schriftlichen Interview mit 3sat vorliest, bricht das Publikum in stehenden Applaus aus. Er sagt Folgendes:

"Neu ist, dass Schreibtischbewohner in Redaktionen und Akademien, die von der Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten und den betroffenen Ländern keine Ahnung haben und sich ausrechnen können, dass sie selbst nie an der Front landen, aus der Komfortzone heraus Reportern im Kriegsgebiet in den Rücken fallen und sie damit zusätzlichen Gefahren aussetzen. Dies zeigt, in welchem Maß im heutigen Journalismus ethische Maßstäbe missachtet werden, wie weit sich die Berichterstattung von der Realitätsprobe vor Ort hin zum postfaktischen Skandalisieren verschoben hat und wie tief die Berichterstattung der Mainstream-Medien, auch der öffentlich-rechtlichen, in das Propagandasystem der NATO verstrickt ist."

Das ist einer der wenigen Augenblicke, in denen der sonst nüchterne Reporter sich etwas mehr Emotionen als üblich erlaubt. Das Wirken der "Schreibtischbewohner" musste Baab fast am seinen eigenen Leibe erleben. Am 28. September 2022, als er wegen der Kündigung seines Lehrauftrages mit Deutschland telefonieren musste, wurde sein Hotel, das Park Inn in Donezk, von den ukrainischen Streitkräften mit NATO-Kaliber beschossen – nur wenige Stunden nach seiner Abfahrt aus dem Hotel zu einem Drehort (in diesem Video dokumentiert). Die erhöhte Netzaktivität mit Auslandstelefonaten könnte den Beschuss des Hotels, in dem damals viele Journalisten wohnten, provoziert haben. Sonst bleibt er recht trocken, wenn es um seine eigene Sicherheit geht: "Sollte uns etwas zustoßen, wird kein Hahn danach krähen", schreibt Baab in seinem Buch über sich und seinen Reisebegleiter.

Der Journalist imponiert dem Kamenzer Publikum, teilweise wird es im Saal fast zu euphorisch, immer wieder kommt es zu stehenden Ovationen, am Ende wollen die Menschen den Referenten nicht von der Bühne lassen. Dutzende vor Ort gekaufte Bücher werden vom Autor signiert. Der MDR, der im Vorfeld des Abends zwei diffamierende Longreads verfasst hatte, hielt es nicht für nötig, über die Veranstaltung selbst zu berichten. Damit bewies der Sender, das es ihm in der Causa Baab nicht ums Informieren ging und auch nicht um Meinungsaustausch, sondern um Kampf. Ein Kampf, den er verloren hat – wer will dann schon die eigene Niederlage dokumentieren?

Die anwesenden Journalisten von FAZ und 3sat und damit potenzielle Kritiker von Baab haben sich an diesem Abend nicht zu Wort gemeldet, und das aus gutem Grund. Die Menschen um sie herum haben eindrücklich gezeigt, dass sie ihre Einseitigkeit und Rechthaberei satt haben. Dass sie sich von den Medien andere Informationen und von der Bundesregierung eine andere Politik wünschen. In dem Augenblick, als im deutschen Fernsehen die Abendnachrichten laufen, haben sie einem "umstrittenen" Journalisten zugehört – ein im Deutschen Grundgesetz verbrieftes Recht wahrnehmend.

Mehr zum Thema - Diffamierungs-Journalismus: "Die Zeit" attackiert die "NachDenkSeiten"

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.