Meinung

Polen und die Ukraine – eine Allianz der vom Russlandhass Traumatisierten

Polen und die Ukraine hegen einen Russlandhass, der eine Art ideologische Basis dieser Länder darstellt. Auf dieser Russophobie bauen sie nun ihre bilateralen Beziehungen auf. Doch wie lange wird dieses situative Bündnis halten?
Polen und die Ukraine – eine Allianz der vom Russlandhass Traumatisierten© Ukrainian Presidential Press Office via AP

Von Anna Schafran

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij sagte dem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda in Warschau, dass es sehr bald keine Grenzen mehr zwischen Polen und der Ukraine geben werde. Die offizielle Version: Er sprach davon, dass die Ukraine Teil der Europäischen Union werden wird. Noch vor der Sonderoperation erwartete jedoch in der Europäischen Union niemand einen Beitritt Kiews und auch heute ist es nicht anders, denn die ukrainischen Politiker verlangen zu viel Geld. In den Aussagen Selenskijs ging es also um etwas anderes.

Das Problem ist, dass Polen auf keinen Fall zu einem vollwertigen "großen Bruder" der Ukraine werden kann. Das Einzige, was die Polen mit den Ukrainern machen können, ist, sie einzugliedern. Dies war in allen Jahrhunderten der Beziehungen zwischen Polen und den Gebieten, die Kiew heute kontrolliert, der Fall. Alles, was sie heute eint, ist der Hass auf Moskau. Und wir wissen sehr gut, dass Hass nur für kurze Zeit vereinen kann, danach kommen die Widersprüche unweigerlich zum Vorschein.

Polen hätte ein normales, wohlhabendes osteuropäisches Land sein können, wenn es nicht eines hätte: ein sorgfältig kultiviertes "nationales Trauma" und eine totale Verbitterung über Russland und die Russen. Alle europäischen Nationen haben genügend Gründe, einander zu hassen. Absolut alle Nachbarn haben in der Geschichte schon einmal Krieg geführt und Konflikte ausgetragen. Und nicht nur Nachbarn: Der spanische Völkermord an den Flamen im sechzehnten Jahrhundert ist bis heute in Erinnerung geblieben.

Die Franzosen führen seit Jahrhunderten Krieg mit den Engländern, Deutschen, Italienern und eben den Spaniern. Es gibt Dutzende und Hunderte Kriegsverbrechen untereinander. Einige Stereotypen und Ressentiments gegenüber dem jeweils anderen sind immer noch vorhanden und das ist unvermeidlich. Aber ein tiefer Minderwertigkeitskomplex in Bezug auf ein Nachbarland ist das Schicksal von Randständigen.

In Polen ist es genau umgekehrt. Von frühester Kindheit an wird den Kindern eingetrichtert, wie die Russen die stolze polnische Nation jahrhundertelang gedemütigt und erniedrigt und wie die Polen den "wilden Barbaren aus dem Osten" widerstanden haben. Dass Polen selbst jahrhundertelang versucht hat, Russland zu vernichten, wird entweder ignoriert oder als etwas Heroisches dargestellt – was soll man sonst mit "wilden Barbaren" auch machen? Im polnischen historisch-politischen Diskurs werden die Ukrainer übrigens nicht einmal als Barbaren behandelt, sondern als Nutzvieh, das heißt als willenlose Nutztiere, dessen unmittelbare Pflicht es ist, für ihre polnischen Meister zu arbeiten.

Natürlich wird in Polen niemand jemals Selenskijs Worten widersprechen, dass es keine Grenzen geben wird. Aber die Zukunftsvisionen der polnischen und ukrainischen Politiker unterscheiden sich grundlegend. Die Ukrainer glauben in ihrer ungebrochenen Naivität, dass die Polen sie ernähren und versorgen werden – so wie es Russland jahrelang tat.

Doch die Polen sind echte Europäer in dem Sinne, dass sie nichts umsonst tun. Sobald sie Zugang zu den ukrainischen Gebieten erhalten, werden sie sofort damit beginnen, diese auszubeuten. So wie sie es schon immer getan haben: Sie besiedeln sie mit polnischen Kolonisten und zwingen die Ukrainer, zum Katholizismus zu konvertieren und Polnisch zu sprechen.

Tatsächlich machen die Westukrainer selbst jetzt genau das Gleiche mit den Russen in den von Kiew kontrollierten Gebieten – sie zwingen sie, zum Katholizismus zu konvertieren und verbieten es ihnen, ihre Muttersprache zu sprechen, denn sie kennen einfach keine andere Methode, sich anderen Völkern gegenüber zu verhalten.

Nun ist das situative Bündnis zwischen Warschau und Kiew ein Bündnis zweier vom Hass traumatisierter Völker. Nur dass die Polen diesen Hass schon seit Jahrhunderten kultivieren, während die Ukrainer Neulinge auf dem Gebiet sind. Daher gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass die polnisch-ukrainischen Beziehungen zu ihrem ursprünglichen historischen Zustand zurückkehren werden, sobald der Grund für die Freundschaft gegen Russland verschwindet.

Die Polen werden die Rolle der Meister beanspruchen, und den Ukrainern wird die Rolle der Leibeigenen bleiben. Und wenn die Ukrainer sich darauf nicht einlassen, so hat Warschau viel Erfahrung im Kampf gegen ukrainische "Terroristen", einschließlich des heute in Kiew so verherrlichten Stepan Bandera.

Übrigens möchte ich daran erinnern, dass es im Laufe des gesamten 19. Jahrhunderts hindurch keine Grenze zwischen der Ukraine und Polen gab, weil Polen wie die Ukraine zu Russland gehörte. Es ist nicht zu erwarten, dass die Polen zu diesem Zustand zurückkehren wollen, ihre gesamte derzeitige Politik führt jedoch dazu, dass unsere Beziehungen in naher Zukunft nicht freundschaftlich werden, wobei wir schon lange keine Ansprüche mehr gegen die Polen erheben.

Die USA mischen sich zwar weiterhin aktiv in die Angelegenheiten in Europa ein, können ihren Fokus jedoch jederzeit auf ihre internen Probleme richten, die zurzeit wie ein Schneeball wachsen. Und dann werden all jene, die jetzt versuchen, ihre seit Langem bestehenden nationalen Komplexe mithilfe Washingtons zu lösen, vor einem Scherbenhaufen stehen. Und vielleicht gibt es dann auch keine Grenze mehr zwischen der Ukraine und Polen – nur nicht in dem Sinne, von dem Selenskij und Duda träumen.

Übersetzt aus dem Russischen. 

Anna Schafran ist eine russische Fernseh- und Radiomoderatorin.

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